Sonntag, 14. Dezember 2008

Selbst wenn der Vorhang faellt

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Waehrend alle uebrigen Bewohner Kolkatas zunehmend vergeblich auf den frische Kuehle bringenden Winter warten und selbst die Autorickshawfahrer, deren Gefaeherte alleweil schwarze Rauchschwaden aus ihren Auspuffen aufsteigen lassen, auf die globale Erwaermung schimpfen, haben ich es aufgegeben auf einen Tag zu hoffen, an dem ich von Musse, Zeit und einem Draengen das Erfahrene in wenige Zeilen zu kleiden, aufgesucht werde und so zwinge ich mich denn nun darum sie zu finden, bevor ich mich endgueltig in ihr verliere.

Viele muehsam erkaempfte Stunden, Tage, Wochen, ja letztlich Monate haben die 25 Jungen und Maedchen der 7. Klasse und ich gemeinsam an unserem Theaterstueck gefeilt, gebastelt und eifrig geprobt; lachend diskutiert, gestritten und die Buerden des Schulalltags miteinander geteilt, der mich die sonst so stuermisch-lebhaften Kinder manchmal mehr an die Besucher einer Beerdigung erinnern liess, wenn sie mal wieder den schweren Schatten einer der Bestrafungen mit sich zogen. An eben diesen haben wir auch Rija verloren, der es seit dem ihr Tagebuch vor der Schule vorgelesen wurde und ihre Eltern dadurch herausgefunden haben, dass sie sich einst mit einem aelteren Jungen traf, verboten ist zur Schule zu kommen.
Am 10. Dezember dann, anlaesslich des internationalen Menschenrachtstages, wollten wir unser Kinderrechts-Stueck das erste Mal vor der Schule auffuehren und auch wenn ich inzwischen weiss, dass nichts so sein wird, wie urspuenglich vorgesehen, habe ich doch nicht ahnen koennen, dass die Hindernisse uns an diesem Tag gleich in mehrfacher Ausfuehrung heimsuchen wuerden.
Mit dem Nationalfeiertag am 9. Dezember begann das drei Tage lang andauernde Eid-Festival der Muslime, was von den Schulen jedoch weitestgehend ignoriert wird und nicht, wie etwa waehrend des hinduistischen Durga Puja – Festes mit schulfreien Tagen anerkannt wird. Zum Gedenken an Abraham, der auf Geheiß Gottes statt seines Sohnes einen Widder opferte, werden zu diesem Fest weltweit Millionen von Tieren geschlachtet - so auch in Indien. Meine Jungs haben mich schon im Vorab eifrig ueber die Traditionen und Bedeutung dieses Tages aufgeklaert und mir sehr lebhaft vorgefuehrt, wie es ihnen zugedacht sei voller Stolz eine Schale an die Kehle der Kuh zu halten, bis diese sich mit Blut gefuellt haette.
Schon am Vorabend standen in muslimischen Vierteln die stolzen und praechtigen Tiere mit ihren Blumengeschmueckten und bemalten Hoernern, das letzte Stroh in ihren friedmuetigen Maeulern gemaechlich zermalmend in den Strassen angeleint - den blutroten Morgen nicht erahnend. Auch wenn ich die Koepfe nicht fallen und das Blut nicht rinnen sah (dem Anblick der gestapelten Tierhaeute jedoch nicht entgehen konnte), war dieser Schlachttag der Schauerlichkeit in seiner Atmosphaere einzigartig und ich bewunderte die vielen in weiss gekleideten Maenner, die einem Teppich gleich gen Mekka betend, am fruehen Morgen das Druchkommen in engen Gassen unmoeglich machten.
Wenn auch auf die Kinder und ihr Versprechen in der Schule zu erscheinen zu zaehlen war, bestanden doch einige der Eltern darauf ihre Soehne an diesem Tag zu Hause zu behalten um ihren unentbehrbaren Part in der Zeremonie auszufuellen und eine Luecke in unserem Stueck zu hinterlassen.

Hinzu kam der in den Zeitungen angekuendigte Busstreik, der die Stadt lahm legte und mich am naechsten Morgen auf jeden einzelnen Schulbus wartend bangen liess. Als man mich spaeter ueber den Hintergrund des Streiks aufklaerte, war ich noch viel unglaeubiger und entsetzt, denn die Busfahrer lehnten sich vereint gegen ein neu entworfenes Gesetz auf, welches dafuer Sorge tragen sollte, dass sie in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden koennten, wenn ein Fussgaenger unter ihren Raedern zu Tode kommen sollte, was angesichts des unuebersehbaren Verkehrs keine Seltenheit ist. Bisher war es immer an dem Fahrer, seine Beine schnellstmoeglich in die Hand zu nehmen und vor dem aufgebrachten Mob zu fluechten, der ihn richtend zu Tode schlagen wuerde. Die Rechtslage ist, auch ungeachtet dessen, dass die meisten Gesetzte ohnehin nur schwere Baende fuellen, in der Realitaet aber bedeutungslos sind, allerdings keineswegs so einfach. Nur wer einst selbst Teil am Brausen der Strassen Kolkatas nehmen konnte wird einsehen, wie umstritten ein derartiges Gesetz angesichts nicht minder ruecksichtsloser Fussgaenger ist, die waghalsige Versuche unternehmen, um regellose Krezungen zu ueberqueren - worin ich wohl keine Ausnahme bilde. :)

In reduzierter Zahl und ob des Gleichmuts der Schulleitung beschlossen wir dann dennoch unser Stueck in kuzerhand abgeanderter und improvisierter Form aufzufuehren und uns den Umstaenden nicht zu ergeben. Auch wenn Ernuechterung, Aerger und Unverstaendnis sich in mir zu einer erdrueckenden Mischung aufkochten und ich sehr darum kaempfen musste, dem Ganzen nicht einfach mit vollkommener Gleichgueltigkeit gegenueberzutreten; es mir ebenso egal wie allen anderen Lehrern und Beteiligten sein zu lassen. Dass zu guter Letzt auch noch die Assembly-Hall von den tanzenden Kindergartenkindern besetzt war und wir in Sonnengewand und Soldatenuniform mitsamt unseren Requisiten die Treppe hochstapfend in einen der kleinen Klassenraeume umziehen mussten, ging in dem aufgeregten Trubel fast gaenzlich unter und wir zelebrierten uns und den Wahnsinn anschliessend mit Eis und „German Games“ in unserem kargen Matsch-Schlamm-Feld.

Ich habe unglaublich viel gelernt - ich, die ich mich ohne jegliche Erfahrung dastehend zu anfangs fragte, wie es mir ueberhaupt gelingen solle ihnen so abwechslungreich aber auch eindringlich wie moeglich zu vermitteln, dass das Leid eines szenisch dargestellten Kindersoldaten aus dem Kongo nur symbolisch fuer eine grosse, blinde Ungerechtigkeit steht, die auch sie jeden Tag ihrer Rechte beraubt und unser Spiel Mittel zum Zweck ist, dass sie Kraft schoepfen muessten um aufzustehen.
Auch glaubte ich das Dementieren eines Lieblingsschuelers oder Kindes von Lehrern und Eltern endlich als unaufrichtig entlarvt zu haben, fand ich mich doch ploetzlich in einer Situation wieder, in der ich sehr stark darum bemueht war sie nicht spueren zu lassen, dass mir der eine Junge lieber als der andere war. Indessen erkannte ich auch darin spaetere Unwahrheit und spuerte, wie ich vielmehr jedes Kind fuer sich auf eine jeweils andere Art und Weise zu lieben und schaetzen lernte, mich mit ihrem Wachsen und Wandeln freute und das Anstellen eines Vergleiches die Probe nicht bestanden haette.
Symbolisch dafuer steht der kleine Sagnik, der permanent unberechenbar und hitzig durch die Gegend wuselt, von Tischen springt und sich verletzt, mich zu meinem Geburtstag mit einer Kuscheltierbiene ueberrascht, mir aber auch angsterfuellte Stunden mit seinem aufgewuehlten Vater bescherte, der nach einer gemeinsamen, ausserschulischen Probe seinen Sohn abholen kam, diesen aber nicht vorfand, da er es vorzog entlang der dicht befahrenen Hauptstrasse allein nach Hause zu schlendern und mich berechtigter Weise zur alleinigen Verantwortung zog. All die Aufregung, die kleinen und grossen Freuden und auch der Aerger bilden irgendwann ein Ganzes, ihn, einen in sich geschlossenen Menschen, der mit Einfuehlvermoegen und Geduld nicht nur ueber die Erwartungen der ihn aufgegeben habenden Lehrer, sondern auch sich selbst hinauswachsen kann.

Freitag, 7. November 2008

Half Way Home

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....und doch meilenweit von zu Haus entfernt.
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Blick durch das bemalte Fensterglas des Half Way Home - ein Hoffnungsschimmer auf Ganzheit
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So aehnlich wie aufgewuehlter Sand in einem Glas Wasser sich erst langsam setzten muss, Korn um Korn lautlos zu Boden rieselt und die Sicht sich nur nach und nach aufklaert…, so fuehlte es sich an, als ich mich vor wenigen Tagen auf den Heimweg begab. /
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Es war einer dieser Tage, an denen ich mich darueber freute so viel Neuem zu begegnen, dann aber schwer an der unerwarteten Last zu tragen habe, als ich das aeltere Ehepaar Siromoni, dessen Bekanntschaft ich vor geraumer Zeit machte, auf ihrem sonntaeglichen Gang ins St. Paul’s Cathedral begleitete.
Allein das Lichtspiel der Sonnenstrahlen, die durch die grossen gruengefaerbten Glasfenster tanzten, das Gurren der Tauben und Surren der Ventilatoren in dieser so weiten und hellen Kirche, nahmen meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch; auch wenn sie meinem immer wachsenderen Unglauben ueber den Glauben der Menschen, die sich nicht nur einem Gott hingeben, sondern demuetig vor einem institutionellen Machtgefuege daniederknien, das sie zwischen “gut” und “schlecht” unterscheiden lehrt, waehrend doch vor den verschlossenen Toren das eigentliche Leben seinen bitter-suessen Gang nimmt, nicht vergessen liessen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen bei mir widerum unbekannten und doch so herzlichen Menschen, Mundharmonikaspiel und manch bengalischem Lied, begaben wir uns auf die Rueckfahrt, so zumindest der vorsaetzliche Plan, doch wurde dieser als gleich verworfen, als Joyce auf Grund eines Notfalls einen Anruf ihrer Organisation erhielt. Der sicher schon fast 80 Jahre zaehlende Paul verliess uns fuer seinen taeglichen Mittagsschlaf und wir setzten unseren Weg zweisam fort, da ich die unweit von meiner Schule gelegene Organisation ohnehin in den kommenden Tagen besuchen wollte.
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Das Half Way Home "Paripurnata" (hope for wholeness) ist eine Art Zwischenstation fuer psychisch kranke Frauen, die Joyce vor vielen Jahren gruendete und dort mit Hilfe von Aerzten, Psychologen und Kuenstlern nicht nur fuer das Wohlergehen und bedingte Genesen der Frauen sorgt damit sie eines Tages wieder in ihre Familien zurueckkehren koennen, sondern seitdem auch um deren Wuerde und Anerkennung als Menschen in der Gesellschaft kaempft. Dabei sind es gerade die Angehoerigen, die im Wesentlichen zur Verschlimmerung des Gesundheitszustandes beigetragen haben: viele der Frauen las man von der Strasse auf, wo man sie wie ueberdruessig gewordene Haustiere aussetzte; wurden als NCLs (non-criminal lunatics) in Gefaengnissen in Gewahr genommen – und dass, obwohl dies seit 10 Jahren per Gesetz verboten ist und ihnen eine medizinische Versorungung in speziellen Eintichtungen zusteht; oder aber sie vegetierten von Mutter, Vater oder Ehemann angekettet vor sich hin. Besonders in den Doerfern, aus denen die meisten urspruenglich stammen, in denen geistig kranke Menschen nicht selten von der ganzen Gemeinschaft todgepruegelt werden, um die in ihnen hausenden “boesen Geister” zu vertreiben, ist die Aufklaerungsarbeit bitter noetig.
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Mit dem Eintreten in das etwas grau-duestere Gebaeude und den kahlen grossen Raum, von dem aus die drei mit einfachen Holzpritschen ausgestatteten Schlafsaeale, Kueche und Duschen abgehen, glaube ich mich selbst draussen vor dem Eingang zurueckgelassen zu haben..., zumindest fuehlte es sich so an, als ich neben mir stehend die Frau auf dem Boden erblickte, die immernoch unter einem epileptischen Anfall litt. Ebenso verloren umgaben sie die uebrigen Frauen, die alle wie kleine Maedchen wirkten, auch wenn sich unter ihnen so manch 60 jaehrige Frau befand. In ihre abwesenden, leeren und dann doch wieder neugierig glaenzenden Augen zu sehen, verdeutlichte mir erneut sehr eindringlich, was fuer ein unvorstellbarer Unterschied zwischen der aeusseren Huelle und dem inneren Leben eines Menschen herrschen kann. Ich weiss nicht genau, woran sie im Einzelnen erkrankt sind, werde es vielleicht mit der Zeit herausfinden, aber sie alle koennten ihre ganz eigene Geschichte erzaehlen…; doch diese haben sie tief in ihrem Inneren verschlossen, verletzt und vor auesserlich waltenden Kraeften wohl behuetet, in sich zu tragen gelernt.

Der stechende Geruch laesst mich nicht mehr los und die erdrueckende Mischung aus Erbrochenem, Medikamenten, Urin und dem gereichten Masala-Tee holt mich immer wieder ein. Selbst das Toben und Laermen meiner lieben 7. Klaessler – in geballter Kraft 70 an der Zahl – (die es nach nahezu zehn Minuten ueberraschender Weise doch fertig bringen, einen Kreis zu bilden, mich aber stark daran zweifeln lassen, wie es uns in kaum mehr einem Monat moeglich sein soll das Theaterstueck auf die Beine zu stellen) koennen daran nur voruebergehend etwas aendern.
Ich kam mir so unsagbar nutzlos vor, wie ich umringt von zwanzig Frauen trotzdem verloren allein im Raum stand, laechelte, mit Fuessen und Haenden kommunizierte und mir staunend durchs Haar fahren liess, waehrend die Glieder der vor mir auf einer Plastikplane liegenden Frau immernoch zitterten und man zum dritten Mal darum bemueht war, ihre Windel zu wechseln… Aber vielleicht - und ich suche verzweifelt nach Erklaerungen, die mir meine Hilflosigkeit weniger kalt entgegen schlagen lassen - ist dies wirklich das Einzige, was ich in derartigen Momenten tun kann – mit den Menschen zu lachen und reden; mich denen zu widmen, die gerade nicht leiden, sie abzulenken und wider allen Unterschieden und misslichen Umstaenden das Band der Waerme zu spueren. Deshalb zog es mich gestern nach der Schule wohl wieder zu ihnen und ich werde sie von nun an auch zwei, drei mal woechentlich nach oder vor der Schule besuchen (“so zum Ausgleich” :D) um mit ihnen Zeit zu verbingen und Joyce bei sich angehaueften Bueroarbeiten behilflich zu sein. Nicht nur, weil ich es ohnehin versprochen hatte, sondern vielmehr, weil ich mir die Zeit nahm zu zulassen, dass es mich verletzte und verstoerte, die mich beruehrende aufrichtige Naehe aber staerker ist und bei weitem ueberwiegt.

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Als nach langem Warten feststand, dass der Kunstlehrer nicht mehr auftauchen wuerde, verbrachte ich die Stunde mit den Frauen - auch wenn es schon ein wenig merkwuerdig ist, dass auf einmal ich diejenige bin, welche auf Wunsch Flugzeuge, Menschen und Schweine zum Ausmalen vorzeichnet...

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An manch viel zu fruehem Morgen, wenn die Sonne gerade im Begriff ist aufzugehen, sitze ich auf der Kreidemauer des Schuldaches, lasse meine Beine in luftig-leichter Hoehe baumeln und meinen Blick ueber Fluss, gruene Palmen, sandige Wege und hin zu den ersten Arbeitern, die Stein fuer Stein ihre Karren beladen, schweifen und frage mich, ob all dies die Wirklichkeit ist, ob ich wirklich erlebe oder vielmehr allen Momenten und Eindruecken durch mein Sinnen und Schreiben eine Gestalt verleihe, die ausschliesslich meiner Fantasie entspringt.
Doch dann schlendere ich durch ueberfuellte Strassen, weiche kopflosen Busfahrern aus und ziehe meinen Fuss gerade noch rechtzeitig schuetzend vor dem schweren Rad einer mit Waren bepackten Rickshaw zurueck und erblicke in die naechsten Gasse biegend einen kleinen, nackten Jungen vor seiner Huette hocken… Unbekuemmert, mit einem Stock Kreise in den Sand zeichnend, verrichtet er versunken seine morgendliche “Toilette”, waehrend sich ihm von Hinten unbemerkt einer der verwahrlosten Hunde naehert und fast zeitgleich gierig auffrisst, was er in Form eines gelblich-braunen Haufens ausscheidet. In diesen Momenten, in denen ich gar keine Zeit habe mich darueber zu wundern, dass meine Faszination keinen Raum fuer den Anflug eines Ekelgefuehls laesst, bin ich mir dessen gewiss - dass dieses Leben wahrlich so wirklich wie die Fiktion selbst ist und es vergebens ist, das Absurde in Frage stellen zu wollen.

Freitag, 24. Oktober 2008

Traumspiel

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Nichts liegt mir ferner als die mir begegnende Armut zu romantisieren, doch nach dem gestrigen Tag nicht ins Schwaermen und Schwelgen zu verfallen, ist mir ganz und gar unmoeglich:

Die Fahrt „ins Dorf“ scheint mittlerweile fester Bestandteil einer jeden Woche geworden zu sein und ist eine von mir freudigst erwartete Abwechslung zu den vielen Stunden die ich in der Bibliothek; mit dem Schreiben und Tuefteln an den letzten Zuegen des Theaterstuecks; organisatorisch bedingten Gaengen oder aber mit den Kindern spielend, lernend und singend verbringe. So machten Sumita und ich uns mit dem Auftrag das Vorankommen der Schulbauten und Errichten der Trinkwasserpumpen zu ueberpruefen und zwecks des ausstehenden Reportes bildlich festzuhalten, in der Fruehe auf den Weg.

Ich liebe die Atmospaehre des langsam erwachenden Bahnhofs: ueberall spuckende, speiende, roechelnde und gurgelnde Maenner in ausgewaschenen Lungis; Frauen, die eilig ihre Kinder hinter sich herziehen; unzaehlige Bauern und Haendler, die Fruechte, Fisch, Getreide oder Stoffe in grossen geflochtenen Koerben auf ihrem Kopf ueber die Schienen von einem Gleis zum anderen tragen; kleine Staende, an denen die Verkaeufer in Akkordarbeit Glaeser auswaschen und ein Gemisch aus Kichererbsenmehl, Wasser, Gewuerzen, Chili und roher Zwiebel zum Fruehstueck anbieten; aber auch die im Gedraenge fast untergehenden, auf den Stufen immer noch schlafenden Menschen, deren Haar verfilzt und Haut vom Staub und Dreck bedeckt ganz grau ist und deren Anblick mich manches mal daran zweifeln laesst, ob sie denn ueberhaupt noch am Leben seien - Kolkata scheint selbst um 6 Uhr nicht zu ruhen.
Im Gewusel der Menschen noch die letzten Plaetze im „Ladies Compartment“ erheischend, eingebettet in die Geraeuschkulisse plappernder Frauen und dem Feilbieten der Verkaeufer, die von Abteil zu Abteil ziehen um ihre Ware anzupreisen; erreichten wir in zwei Stunden unser Ziel. Nach einem leckeren Fruehstueck, selbstgepflueckter Banane und Guave in einer der Schulen, gingen Sumita und ich unterschiedliche Wege, so dass mir die Aufgabe des Fotografierens der Kinder in den Schulklassen und der Arbeit auf den Baustellen zugesprochen wurde.
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Mit dem Fahrrad fuhr ich entlang der die Doerfer miteinanderverbindenen Strasse, die mich so saftig gruenumwuchert eher an eine Allee erinnerte, von Schule zu Schule; genoss den Wind; den Anblick der grasenden und doesenden Ziegen am Wegesrand; die an mir vorbeiratternden Rikshaws... dieses kleine grosse Stueck Freiheit.
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Klasse fuer Klasse besuchte ich die Kinder, die auch unter diesen einfachen Bedinungen, in denen in einem kuehlen Betonraum zwischen Sandsaecken und Ziegelsteinen eine Tafel nur provisorisch auf Holzbrettern errichtet wurde, tanzten, lachten, schrieben und rechneten. Auf meinem Rueckweg hielt ich an einer der Lehmhuetten an, um auch sie mit der Kamera einzufangen und wurde von der ansaessigen Toepferfamilie ueberschwaenglich dazu eingeladen einzutreten und mir ihr Handwerk genauer anzusehen, was ich den Saft einer mir gereichten frischen Kokosnuss schluerfend dankbar und uebergluecklich tat ..

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Die Schoenheit dieser Menschen und die satte Natur in den abgelegenen Doerfern zieht mich immer wieder in ihren ganz eigenen Bann, laesst mich staunen und zu gleich froehlich huepfend und springend ueber die Wiesen ziehen. Auf einem letzten taumelnd-ausgelassenen Spaziergang mit Robin-da um den schuleigenen See stellten wir fest, dass das angesammelte Wasser nicht mehr richtig in die Reisfelder abfliessen konnte und nachdem ich durch den Schlamm watend (mich nur dunkel an Blutegelwarnungen und Wuermer, die sich durch die Fusssohle in die Haut eingraben, erinnern wollend) einen neuen Kanal freigeschaufelte, hatte nicht nur ich das Beduerfnis auf immer bleiben zu koennen, sondern auch die Waescherinen, die mir amuesiert zusahen und meinten, dass es nun wahrlich keinen Grund mehr fuer mich gaebe nach Kolkata zurueckzukehren. Ja, ganz gewiss, so bald die letzten Steine ihren Platz im neu errichteten Gemaeuer gefunden haben, wird mich nichts mehr davon abhalten koennen, meine Arbeit fuer geraume Zeit in die Bilderbuchidylle zu verlagern.
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Ob des Stromausfalls ohne Licht, eng an eng gepresst im Zug sitztend, rollte ich die in den Reisfeldern untergehende Sonne bewundernd, der stickigen und doch einzigartigen Stadt wieder engegen und genoss das aufsteigende Gefuehl trotz eines wundervollen Tages wieder angekommen zu sein.
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der uns als Reiseproviant kleine, saeuerlich schmeckende Beeren flueckende Robin-da, Koordinator aller Dorfprojekte, in den ich mich mit jedem Mal ein wenig mehr verliebe.
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Nachdem ich aufgeregt, vor Erlebnissen und Tatendrang uebersprudelnd; zu neuen Ideen inspiriert, Mr. Mukherjee in einem abendlichen Gespraech von meinem Tag, der Arbeit und den Beobachtungen berichtete, stieg ich erschoepft die Treppen in den 5. Stock hinauf. .
Doch anstatt mich als gleich dem ersehnten Schlaf hingeben zu koennen, wurde ich von einer neuen Mitbewohnerin ueberrascht... Dabei glaubte ich gerade erst endueltig die Vorzuege der sich in meinem Zimmer entwickelten Nahrungskette schaetzen gelernt zu: kleine, zierliche, sowie wohlgenaehrte und schwerfaelligere Geckos, die geschwind die Wand entlanglaufen, immerzu wachsam und blitzschnell nach Mosquitos, giftig-gruenen Fliegen, der ein oder anderen Handflaechen grossen Kakerlake (als so abstossend wie immer beschrieben empfind ich sie gar nicht :)) und mancherlei anderem Krabbeltier schnappend (von denen es mehr als genug gibt); Legionen von Ameisen, die nicht nur immer dann auftauchen, wenn ich vergesse den Deckel auf ein Glas frischgepressten Limonensaft zu legen, sondern stets geschaeftig ihre Wege durch den Raum bahnen um die vom Licht der Lampe angezogenen und verbrannten Insekten auf ihren Ruecken fortzutragen. Wuerden all diese auch noch so unscheinbaren Wesen nicht besonders des Nachts beissen oder brennende Saefte verstroemen und ihre Kadaver mich am Morgen nicht einem schleiernen Umhang gleich bedecken - ich haette sie von Beginn an mit Freuden willkommen geheissen - der riesengrosse schwarze Fleck hingegen, der am Fliegennetz hing und sich als ausgewachsene Fledermaus herausstellte, haette sich auf Dauer weitaus schwieriger in den enstandenen Kreis des Lebens und Ueberlebens integrieren lassen und bedurfte daher mitternaechtlicher Befreiungsversuche... Mit ihrem flatternden Fluegelschlag in die Nacht entgleitend, entschwand auch ich diesem reichen Tag in eine Welt, die kaum farbiger als das Erlebte selbst sein koennte.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Die unliebsame Schwester

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Schon mein Irren durch die tiefen Gefilde der Botschaft Bangladeshs, nachdem man mich denn bei meinem 4. Anlauf endlich zu einem persoenlichen Gespraech vorlud (im Vorab eindringlichst dazu ermahnt kein Wort ueber unsere „wahre Mission“ oder mein Dasein als Freiwillige zu verlautbaren, da dies die Garantie fuer eine Verweigerung des Visas gewesen waere) ist fuer die dort vorherrschende politische Lage wohl sehr bezeichnend. Doch Mr. Mukherjee hatte nun einmal beschlossen die arbeitsfreie Ferienzeit der Weiterbildung und Einholung neuer Ideen zu widmen, um diese dann bestmoeglichst in unsere Projekte zu integrieren und da sich kaum ein Ort besser dazu eignen wuerde „Feldstudien“ zu betreiben als Bangladesh - dessen Bestehen groesstenteils der grundlegenden politischen Arbeit zahlreicher NGOs zu verdanken ist -, machte ich mich gemeinsam mit der gesamten Familie Mukherjee; Sumita, der Sekretaerin und Gopal-da, dem ueber 70 Jahre alten, befreundeten Buergermeister in einem der umliegenden Doerfer, dessen stichelnder Humor und einnehmender Charme mich auch ueber sprachliche Barrieren hinweg taeglich beglueckte, auf in das unweite und doch um Welten ferne Nachbarlande..., waren sie doch ehemals Eins.
Bangladesh, nein ich kann wohl nur von Dhaka berichten, ist um so vieles gruener, sauberer und auf den ersten Blick auch reicher als Kolkata. Keine sich tuermenden Muellberge; kaum merklich, nur vereinzelt an den Strassen bettelnde Menschen und selbstverstaendlich ward auch keine einzige, gemuetlich einhertrottende Kuh zu erblicken, denn in einem muslimischen Staat ihres unantastbaren Heiligtums beraubt, sind Kuehe als eine „ergibigere“ Kreuzung zwischen indischem und deutschem Tier ausschliesslich auf Gitterrosten in engen Staellen stehend, aufzufinden. Derartige Unterschiede treten in Anbetracht der ueberall und nirgendwo anzutreffenden, wenig einladend aussehenden, bewaffneten Soldaten jedoch in den Hintergrund und je mehr ich ueber die seit 2 Jahren vorherrschende politische Notstandssituation erfuhr, die eine Militaerregierung das Feld betreten liess, desto inniger sehnte ich einer baldigen Rueckkehr entgegen.

Die ersten beiden Tage verbrachten wir im Trainingszentrum der Organisation „Proshika“, welches nicht nur der Ausbildung zukuenftiger Entwicklungshelfer aus aller Welt, sondern auch als Modelldorf dient, in dem den Bauern der Umgebung und des ganzen Landes aufgezeigt werden soll, dass es durchaus moeglich ist oekologisch wertvoll, ertragreich und von auesseren Umstaenden wie Ueberschwemmungen unabhaengig, ein selbstbestimmtes Leben fern der Armut zu bestreiten. Ich war und bin immer noch unglaublich fasziniert von dem, was dort geschaffen wurde und auch ein wenig ueberfordert, denn zwischenzeitlich draengte sich mir immer staerker die Frage auf, was ich mit all dem neuerlangten Wissen und den tiefen Einblicken anstellen sollte - inwiefern ich letzten Endes wirklich bereit bin mein Leben derartiger Arbeit voll und ganz zu widmen... . Eines ist hingegen klar: das als unmoeglich Verschrieene ist durchaus moeglich, doch bedarf es jeder Menge Arbeit, (Selbst)Aufgabe und dem Glauben an die Vision.
Wenige Menschen haben hier undenkbar viel geschaffen und sind mittlerweile sogar vollkommen unabhaenig von fremden Geldern, was keineswegs ueblich ist, denn nahezu alle in die Hoehe geschossenen Gebdaeudekomplexe in Dhaka gehoeren NGOs an, da auslaendische Investoren ueber Jahre hinweg ihr Geld gelassen haben (ob eines gewissen Prozentsatzes der Entwicklungshilfe zugedachter Gelder gar lassen muessen); keineswegs uneigennuetzig, denn ihnen erschloss sich so allmaehlich auch der Markt und damit erklaert sich beispielsweise, weshalb auffaellig viele japanische Autos den Strassenverkehr dominieren.
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in eben dieser Reihenfolge: der ueberaus liebenswerte Gopal-da; der Proshika-Mensch, dessen Namen ich nie behalten konnte und Mr. Mukherjee selbst, dessen Mimik stets ein wenig, nun ja, leblos erscheint, doch ich bin darum bemueht IHN zu sehen und mich davon nicht abschrecken zu lassen :).
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Gruender der schon fast einem Konzern gleichenden Organisation war ein enger Freund Mr. Mukherjees, der erst kuerzlich mittels seiner Kontakte aus dem Gefaengnis entlassen wurde. Seine Gefangenschaft hatte er der gegnerischen Partei, die ihn unter fadenscheinigen Gruenden hinter Gitter befoerderte, zu verdanken und die es nicht all zu gern sieht, dass dieser strahlende Mann, der sich die meiste Zeit seines Lebens dem Kampf gegen die Armut widmete, nun auch noch auf politischer Ebene um einen hohen Sitz kandidiert, in der Hoffnung noch einschlagendere Veraenderungen zu bewirken. In zahlreichen Gespraechen lernte ich durch ihn allmaehlich verstehen, fuegte sich ein Bild zusammen - auch wenn ich wahrscheinlich immernoch weit davon entfernt bin die verstrickten Zusammenhaenge gaenzlich zu durchschauen.

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Die Abende genossen wir gemeinsam mit den Dorfbe- wohnern, die einen atem- beraubenden Feuertanz- wettbewerb auffuehrten; dem sanften Spiel eines am ehesten einem Akkordeon aehnelnden Instrumentes, welches von dem erzittern lassenden Gesang einer sehr armen Frau zu den Worten Tagores (oh, wie ich ihn mit jedem Lied, jedem Gedicht, jedem Wort mehr verehre...) begleitet wurde oder aber Tee trinkend, den undurchdringlichen Wald aus Palmen, Mangobaeumen und Gebueschen von einem hohen Dach aus bewundernd und die dunkler werdende Nacht an uns vorueberziehen lassend... .

Mich daran zurueckerinnernd, scheint die mich teuer zu stehen gekommene Lektion, welche mich der Aufenthalt lehrte, ein mal mehr nichtig zu sein, doch da auch der zigste gut gemeinte Ratschlag und mir ans Herz gelegte Hinweis mich nicht davon abhalten konnten koestlich duftendes, in den Strassen Indiens zubereitets Essen zu mir zu nehmen und mich dies vor einigen Wochen fuer mehrere Tage in Form einer mich schuettelnden Magen-Darm-Infektion auf widerlichste Weise laehmte, hat es wohl nicht anders sein sollen und ich musste in Bangladesh beizeiten feststellen, dass es ein Irrglaube ist, anzunehmen, es wuerde ausreichen Hab und Gut in der abgeschlossenen Unterkunft zurueckzulassen. Ja, ich habe mich ein wenig darueber geaergert, dass muehevoll und nicht immer gern verdientes Bijou-Brigitte-Geld „verloren“ ward, doch noch viel mehr darueber, dass alle glaubten ich waere deshalb so veraendert. Nein, viel mehr stoerten mich die Umstaende; dass unsere an „Proshika“ anschliessenden Tage uns auf Grund der politischen Situation weitere Besuche anderer Einrichtungen unmoeglich machten und ausgedehnten Einkaufstouren (etwas, das mich auch in Deutschland nicht uebermaessig erfreut und mich dem daher enthalten liess) und Essgelagen bei alten Freunden galten und ich mich nach dem Erlebten damit nicht umgeben wollte. Ausserdem der mich beschleichende Glaube keine Berechtigung zu haben dem verlorenen Mammon nachzutrauern, da dieser Verlust verglichen mit dem Lebensstandart der mich umgebenden Menschen mehr als nur laecherlich ist. Doch wie angemessen ist es wirklich mich immer, immer wieder in das indische oder bengalische Verhaeltnis zu setzten und mit aller Kraft zu versuchen dem Vergleich standzuhalten? Es ist unmoeglich! - dass sehe ich allmaehlich ein, da ich nun mal aus einer „anderen Welt“ komme, einer Welt, der man berechtigt oder aber auch unberechtigt, Unmengen von Reichtum zugedenkt, den man verstaendlicher Weise automatisch auch mit mir assoziiert. Diese Welt, sofern ich mich ihr auch fuehlen mag, ist mir stets eine sichere Rueckfahrkarte, verwehrt mir allerdings auch die Reise in das noch tiefer gehende Andere, denn niemals werde ich die jenige sein, welche die ganze Nacht hindurch, waehrend die uebrige Stadt still ruht, in einem der anonymen, grauen, ueberall in Dhaka zu sehenden Haueser unermuedlich vor einer Naehmaschine sitzt und um das Ueberleben ihrer Familie kaempft, damit Menschen in Europa oder den USA fuer wenig Geld Kleidung, mit dem Etikett „Made in Bangladesh“ versehen, erstehen koennen... ..
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Mittwoch, 8. Oktober 2008

Ein Fest der Sinne

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Wohl eher: Feste von Sinnen… :D

Der Tag des Lehrers; „Vishwakarma“ - der Feiertag, an dem die einfachen Arbeiter alle Maschinen ruhen lassen; Gandhis Geburtstag am 2. Oktober; eine Neumondnacht und der auf sie folgende anbrechende Tag, an dem man den Seelen der verstorbenen Vaeter Opfergaben darbringt; Eid, das ausgelassene Fastenbrechen der Moslems am Ende des Ramadan; mein Teilnehmen an einer Zeremonie, in der ein zumeist 7 Monate altes Baby, das erste Mal in seinem Leben neben Muttermilch auch Reis gefuettert bekommt ..., an Anlaessen, um ausgelassene Feste zu feiern, scheint es wahrlich nicht zu mangeln.
Eigentlich habe ich schon nach dem zweiten Tag, an dem aus mir unerfindlichen Gruenden niemand in der Schule anzutreffen war und wiederholten Naechten, in denen euphorisches Trommeln, aus Lautsprechern droehnende Musik und der all dies uebertoenen wollende Gesang trunkener Maenner es schlicht weg unmoeglich gemacht haben auch nur an Schlaf zu denken, aufgegeben verstehen zu wollen, was genau sich wohl hinter jedem einzelnen Feiertag verberge, doch nun, zu „Durga Puja“, der Koenigin der Feste, gibt es nicht mehr viel zu verstehen und ich sehe mich selbst ganz in den Strudel aus Farben, Lichtern, Raeucherstaebchen und unkontrollierbaren Menschenmassen von der Faszination dieses nichtweltlichen, 5 Tage andauernden Festes mitgerissen. In dieser Zeit scheint die Stadt im wahrsten Sinne des Wortes stehen zu bleiben, denn die Scharen von festlich gekleideten Menschen, denen man mit Hilfe von Bambusvorrichtungen, gezogenen Seilen und unter Einsatz der Polizei Einhalt zu gebieten versucht, lassen ein Durchkommen unmoeglich werden und den steten Stau seinen Hoehepunkt erreichen. Doch die Strassen sind auch erfuellt vom Duft frischen Popcorns; Zuckerwatte- und Eislaeden; vielen kleinen Staenden, die selbstegbastelte Pfeifen und Luftballons verkaufen, so dass ich mich vielmehr an einen grossen Jahrmarkt, als an Weihnachten, womit man es mir im Vorab vergleichbar veranschaulichen wollte, erinnert fuehle. Oh, vielleicht grenzt es an Blasphemie dieses unvergleichliche Spektakel in Worte fassen zu wollen, aber ich muss es dennoch auf einen Versuch ankommen lassen:
Ueberall, wohin die Wege einen auch fuehren, mal pompoes und aufdringlich, dann widerum unscheinbar und zierlich, tun sich kleine Tempel auf, in deren Inneren der Goettin Durga die Ehre erwiesen wird. Die Hindus glauben daran, dass sie einmal jaehrlich ihren Ehemann Shiva und das Reich der Unsterblichen verlaesst um zurueck auf die Erde zu kehren und die Menschen an ihre grenzenlose Kraft und Gewalt zu erinnern. Erst mit der Heiligsprechung eines Priestes, der in Meditation versunken ekstatisch vor den Figuren tanzt, sie mit Gangeswasser besprenkelt und jeden Moment zu fallen droht, ist das „Pandal“ den Goettern wirklich wuerdig und bereit von den Menschen verehrt zu werden.
Nur nach genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass die „Bauten“ keineswegs Stein auf Stein errichtet wurden, sondern mit Hilfe von um Bambusrohre gewickelten weiten farbigen Stofftuechern, aufeinandergestapelten Tontoepfen, Stroh- oder Holzverkleidungen kunstvolle Palaeste entstanden sind. Keiner gleicht einem anderen und in der muehevollen, detailgetreuen Arbeit sind sie vollkommen einzigartig und niegewesen. In einem jeden der Goettin angedachten Orte der Lobpreisung haette ich Stunden verweilen moegen und konnte mich an den Wunderwerken kreativen Schaffens gar nicht satt sehen.
Auch wenn das Spiel der Lichter und Farben am Abend noch viel beeindruckender, ein Durchkommen durch die Massen aber schlichtweg unmoeglich ist, bin ich gemeinsam mit einem Bus voller Jungs in der morgendlichen Fruehe zu den beruehmtesten Pandals der Stadt gefahren. Die Kinder sind so umwerfend, aufgeweckt und liebenswert, dass mit ihnen selbst das stundenlange Warten in der schwuelen Hitze ohne Wasser zu einem unvergesslich schoenen Moment der Gemeinsamkeit wurde. Die „Times of India“ und der Rotary Club haben diese Fahrt fuer die Kinder moeglich gemacht und wenn man die Unmengen von fliessendem Geld und das betonte Prestige aussenvor laesst, dann ist es durchaus grossartig, dass diese Kinder, deren Eltern zu arm sind um selbst mit ihnen durch die Stadt zu ziehen, sich an den Farben und Klaengen des Frestivals erfreuen konnten.
Am 5. und letzten Tag schliesst sich dann der Kreis und die reich verzierten Goettinnen werden aus allen Winkel der Stadt herbeigetragen und stolz und feierlich dem heiligen Ganges uebergeben, um gebuehrend ihren Teil zu dessen stehend-milchigem Wasser beizutragen. Meine anfaengliche Erleichterung darueber, dass meine Haende noch vor diesem Akt das sagenumwobene Nass beruehrten, ist nach genauerer Betrachtung wohl ein wenig unangebracht, denn die Goetzenblider gehoeren zweifelsohne zu den angenehmeren Dingen, welche Eins mit dem ewigen Leben werden.

„Einigkeit und Recht und Freiheit...“ – es koennte kaum etwas unindischeres geben und doch reihte sich der 3. Oktober in die unueberschaubaren Feierlichkeiten dieses Landes ein. Der Einladung der Bundesregierung folgend (eine Einladung, die ich nie erhielt, da mein Lebenswandel sich dem indischen Organisations- und Zeitverstaendnis mittlerweile wohl schon zu stark angepasst hat und ich es hingegen den Anweisungen meiner Organisation bisher nicht fertig gebracht habe mich bei der deutschen Botschaft zu melden, wodurch mich auch der gueldende Brief nie erreichte) haette ich den „Tag der deutschen Einheit“ im Taj Bengal, einem 5 Sterne Hotel, in dessengleichen mich meine Wege selbst in Deutschland niemals zuvor gefuehrt haben, kaum wuerdiger und zugleich absurder zelebrieren koennen.
Frueh am Morgen noch haben Mr. Mukherjee und ich erneut die zehrende Autofahrt ueber die einzige, verbindene, schlecht ausgebaute holprige Strasse - die Millionen von Menschen taeglich von ihrer Arbeit zurueck zu ihren Familien fuehrt und uns 70 km in knapp 3 Stunden zuruecklegen liess - in eines der Doerfer gewagt, um uns dort das Land anzusehen, welches in naher Zukunft als Boden fuer eine neue Schule dienen soll. Das Leben dort ist ein anderes und selbst mit dem in Kolkata nicht zu vergleichen: Maenner, Frauen und nicht wenige Kindern stehen mit dem Sonnenaufgang auf und widmen sich bis zur den Himmel rot faerbenden Abenddaemmerung der harten und beschwerlichen Arbeit auf dem Feld und um an frisches Trinkwasser zu gelangen, heisst es einen langen Fussweg auf sich zu nehmen, der auch nur dann zu meistern ist, wenn der Regen die Strassen nicht in schlammige Suempfe wandelte.
Als ich dann am Abend erschoepft und totmuede den von kristallenen Kronleuchtern erhellten Saal betrat, im Hintergrund eine zuenftige, aus Regensburg eingeflogene Blaskappelle die „Musie“ aufspielen liess und wichtige Maenner in grauen Anzuegen sich vielsagend die Haende schuettelten, gab ich mir genau fuenf Minuten um diese Parodie des Lebens auf schnellstem Wege zu verlassen. Waere es nicht um Marens und Leonies Willen gewesen, den beiden anderen Freiwilligen in der Nachbarstadt Howrah, welche ich an diesem Abend zum ersten Mal treffen wollte, ich haette nicht gewusst, was mich mich am unverzueglichen Gehen haette hindern sollen. Doch ich fand die Beiden recht schnell – sie, den gerade aus Deutschland hier seienden Gruender ihrer Organisation Helgo und mit ihnen vier weitere Aerzte, die im Rahmen von „Aerzte der 3. Welt“ hier in Kolkata und Umbegung fuer einige Wochen und Monate arbeiten. Da es ihnen nicht viel anders als mir erging und wir nicht muede wurden uns immer, immer wieder zu beteuern wie absurd und unwirklich dieser Abend doch sei, genossen wir lachend und kopfschuettlend gemeinsam Schwarzbrot, Apfelstrudel und Paulaner... und der zurueckgebliebene Mr. Mukhjerjee, der aus Ueberzeugung schon seit vielen Jahren einer derartigen Veranstaltung nicht mehr beiwohnt, freute sich dafuer umso mehr ueber sein in eine Serviette eingewickeltes Mitbringsel: deutsche Bratwurst und Wiener.
Dennoch: als die in Lederhosen gekleideten Maenner vor Beginn der Rede des Botschafters und der Eroeffnung des reichhaltigen Buffets die Nationalhymne ertoenen liessen, habe ich mich waehrend meines nun schon mehr als einen Monat andauernden kolkatanischen Lebens zum ersten Mal wirklich unwohl gefuehlt und musste mit den aufkommenden Traenen kaempfen.... - nicht vor Ruehrung oder neuentdecktem Nationalstolz, sondern weil die Kluft dieser Welten nicht eindringlicher und deutlicher auf mich haette einbrechen koennen.
Aber all dies IST Indien, gerade weil es so unvorstellbar ist und sich selbst nicht entsprechen will und ich bin froh, dass auch dieser Abend sich in den anwachsenden Teppich der Erfahrungen einwebte.

Freitag, 26. September 2008

Marschieren will gelernt sein!

Oh wie lang, wie oft und intensiv habe ich mich in der zurueckgelassenen Heimat meinen Aengsten und Befuerchtungen gestellt, dachte ich an die von Bettlern gesaeumten Strassen Indiens… Wie oft schnuerte es mir meine Sinne zu, wenn ich erkennen musste, dass die durch derartige Bilder hervorgerufenen Emotionen mich zu ersticken drohten und mich dazu veranlassten, mein Vorhaben aufrichtig in Frage zu stellen, da sich mir kein Licht im verschleierten Rausch dieser Ohnmacht aufzeigen wollte?

Es sollte anders kommen; ganz, ganz anders, als mich meine Wege durch die unueberschaubare Stadt, vorbei an Barbieren; kleinen beweihraeuhcherten Tempelbuchten; bewundernswerten Bambuskonstruktionen, die nur darauf warten anlaesslich des nicht mehr lang ausstehenden Durga Pujabs, DEM Festival Kolkatas, reich mit Blumen geschmueckt zu werden; auch entlang eines Cafes fuehrten, in dem sich die besserbemittelten Inder an westlichen Suessigkeiten labten. Auf der anderen Seite, vor der die beiden Welten abgrenzenden, durchsichtigen und doch unzerbrechlichen Scheibe aus Glas, die nicht mehr als einen hoehnischen Blick gewaehrte, standen zwei in Lumpen gekleidete Kinder, die ihre Koerper gegen das Fenster pressten, waeherend sie immerzu die gleiche Hanbewegung mimten und ihre kleinen schmutzigen Finger zu ihren Muendern fuehrten. Es kann sich nur um den Bruchteil einer Sekunde gehandelt haben, in dem das Maedchen mich erblickte und ihr ihre doch so perfekt sitzenden Gesichtszuege entglitten, sich zu einem teuflischen Grinsen verzogen, welches mich noch Tage spaeter erschaudern lassen sollte und den Jungen ganz aufgeregt, in dem Glauben von mir unbemerkt zu sein, auf mich aufmerksam machte. Das “Spiel” erneut aufnehmend stuerzten sie sich auf mich, klammerten sich jeder an einen meiner Arme und brachen in mitleidserregendes Jammern aus. Ich jedoch verfiel in ein schallendes (sicherlich nicht nur sie, sondern auch alle anderen, mich umgebenden Menschen verstoerendes) Lachen - nein, kein Meerschweinquiecken, sondern ein wirkliches, starkes, tief aus mir hervorquellendes und erloesendes Lachen - dass die Farce vervollkommnete. Dabei bin ich mir sehr wohl dessen bewusst, dass diese Kinder, wenn auch mittels der Kunst des Schauspiels ausgeschickt und dazu angehalten ein paar Rupien zu ergattern, trotz alledem kein erfuellteres Leben haben, wenn sie am Abend in ihre von spaerlichem Kerzenschein erhellte Huette kehren – einstudierte Darbietung hin oder her!

Viel erschuetternder hingegen – und dies traf mich ebenso unerwartet wie meine Reaktion auf die bettelnden Kinder – ist das Bild, welches sich mir darbietet, wenn ich auf dem Weg zur Bibliothek durch das Treppenhaus der Schule gehe und in dem ein oder anderen Klassenraum etwas laenger verweile. Ich bin weder eine studierte Lehrerin, noch ausgebildete Erzieherin – auch ist mir das bedingungslos-gebende Muttersein fremd und dennoch fuehle ich aufrichtig, wie falsch es ist, die Kinder zu Marionetten heranzuziehen, die folgsam und anstandslos den Anforderungen entsprechen sollen um sittsam in dem gedachten System, einem System, dessen Sinn sich mir nicht erschliessen will, zu erwachsen.

Es ist die staendige Betonung von unerbitterlicher Disziplin und Ordnung, einer aufoktruierten, jedoch keiner, der Naeherboden geschaffen werden wuerde um freimuetig und stolz zu reifen, welche den Schulalltag bestimmt und die Einhaltung derer das eigentliche Lernen in den nebligen Hintergrund treten laesst… Doch wie gebe ich der Lehrerin einer Gruppe von 4-Jaehrigen zu verstehen, dass der rote Haendeabdruck auf dem kleinen braunen Aermchen eines Maedchens, nachdem es wirsch hin- und hergeschuettelt wurde, auch Spuren auf meinem Herzen hinterlaesst und mir jedes Wort versagt? Wie lasse ich widerum eine andere Erzieherin einer mit 30 3-Jaehrigen Maedchen und Jungen viel zu grossen Gruppe, ungeachtet des Strom - und daher Ventilatorausfalls – zu stillem, reglosen Sitzen auf den Holzstuehlchen aufgefordert, wissen, dass ein lautstarkes Knallen mit dem Lineal und ein Zurechtweisen mit eben diesem, was unausweichlich dem Einpferchen von Ferkeln gleicht, vielleicht fuer den Moment Ruhe einkehren laesst, jedoch etwas viel kostbareres einbuesst – unantastbare Menschlichkeit?!

“In Deutschland halten wir das aber nicht so!”, ja, in Deutschland… in Deutschland sind die Kindergartengruppen auch nur halb so gross; in Deutschland besteht ein Kindergarten nicht aus einem einzigen, schlichten Raum, sondern umfasst ein weites Gelaende von Wiesen und Klettergeruesten, wo im Nachbarraum eine andere Klasse nicht beim Auswendiglernen gestoert wird, wenn man lacht, tobt und schreit; in Deutschland muessen Kinder im Alter von 4 Jahren nicht schon Lesen, Rechnen und Schreiben koennen und die ersten Worte einer Framdsprache erlernen, denn in Deutschland ist man mit allen Mitteln darum bemueht ihnen etwas zu gewaheren, was hier nicht einmal als blosse Idee existiert – eine unbeschwerte Kindheit.

Sehr vorsichtig habe ich eines Abends dann doch den Vorstoss gewagt und Purtul, die Lehrerin, welche das Lineal als verlaengerte Hand zu gebrauchen pflegte, darauf angesprochen, dass es mir schwer faellt daran zu glauben, dass dies der richtige Umgang mit den Kindern sei und sie selbst spueren lassen, was fuer einen Unterschied es doch macht, wenn ich ein Kind mit einem Stock auf seinen Platz weise, oder aber es sanft mit meiner Hand zu seinem Stuhl geleite. Ich kann nicht mit Gewissheit sagen, dass sie nie wieder zu diesem hoelzernen Utensil greifen wird, doch sah sie fuer den Moment bedaechtig nickend ein und am Wochenende wollen wir gemeinsam ein Memory-Spiel basteln, damit die Kinder beim naechsten Stromausfall anders beschaeftigt werden koennen, als stumpf auf ihren Plaetzten zu verharren.

Dass ich als Represaentantin der Schule, da die gesamte Lehrerschaft ihre Zeit in die Beaufsichtigung der Examen stecken musste, der ins Haus flatternden Einladung zu einer Dokumentation des indischen Schulsystems der “Teachers Foundation” folgen konnte, oeffnete mir nicht nur die Augen, sondern liess mich vorallem erkennen, dass meine Glaube daran, an einer entwuerdigenden Schule gelandet zu sein, mit Nichten der Realitaet entspricht. Was ich in dem 45 minuetigen Filmabschnitt, der ohne in “Weiss” oder “Schwarz” zu unterteilen einen Gesamtbild unterschiedlichster indischer Schulen aufzuzeigen beabsichtigte sah war schockierend, verstoerend und von mir als laengst vergangen gelaubt: Schueler, die in Reih und Glied zum morgendlichen Apell antreten muessen, deren Haar, Schuhe und Uniform auf makellose Reinlichkeit geprueft werden; Kinder, die grob aus der Masse gezerrt werden, wenn sie nicht stramm genug stehen und brave Maedchen “besserer Schulen”, deren Koepfe akkurate Zoepfe ziehren, die von der Notwendigkeit nie in Frage gestellter Disziplin sprechen… Es sind die Lehrer, wenn auch sie nur Opfer einer mangelhaften Ausbildung sind, die ihren Zoeglinge das “Rechts, links, recht, links…” einzahelen und sie vor die Wahl stellen, ob sie zuegellosen Pferden, oder aber stolzen Soldaten gleichen wollen. Der Film sprach fuer sich, doch die ersten, erleichternder Weise die einzigen dieser Art, Worte des Mannes neben mir, der sich in der anschliessenden Diskussion elanvoll erhob und verkuendete, “dass diese Bilder eindeutig verdeutlichen wuerden, dass wir unsere Schueler besser unter Kontrolle bekommen muessten”, bildeten leider kein zynisches Gegenstueck, sondern stehen stellvertretend als ernstgemeinter Ausdruck fuer ein Land und dessen Menschen, welches glaubt dem fernen Westen nur so, mittels unangefochtener Duldsamkeit, Fleiss, Gehorsam und Ergebenheit langsam, in kaum merklichen Schritten, entgegen zu gehen.

Dienstag, 16. September 2008

auf eines bunten Vogels Schwingen






Das purpurfarbene “Made in India” H&M T-Shirt ist einer umso vieles indischeren Kurta gewichen; die Finger meiner rechten Hand nehmen durch die Gewuerze des Essens mit jedem Tag einen tieferen Gelbton an; die Herausforderung einer andauernden Erkaeltung im Land ohne Toilettenpapier, in dem folglich auch Taschentuecher fuer Aufsehen sorgen, ist endlich bravouroes gemeistert und an den Oelfilm, der den ganzen Tag ueber die Haut ummantelt, habe ich mich schon so weit gewoehnt, dass es sich viel merkwuerdiger anfuehlt, mit frisch gewaschenen Haaren der anstehenden Arbeit nachzugehen... - auf, auf in das Land der ungeahnten Gegensaetze!


Ami murgi kaina! – Ich esse kein Huehnchen... Was mich zu meinen ersten Worten in Bengali motivierte, kostete das gefederte Vieh das Leben und haette mir durch die Haende des Kochs, der den beiden Tieren die Kehle so lange zudrueckte, bis auch das letzte Zucken aus ihren Beinen schwand, nicht eindringlicher vor Augen gefuehrt werden koennen... Schnell reihten sich auch Fisch und Ziege ein und ich musste ernuechternd feststellen, dass die Menschen hier keineswegs, wie erwartet, von einem alles dominierenden Respekt vor lebendigen Wesen erfuellt sind und es sie vielmehr verwundert, wie es sich von Gemuese allein leben laesst, so dass meine Speisen vorsorglich zusaetzlich mit besonders viel Oel angereichert werden um den Kalorienbedarf eines Tages zu decken, nein, bei weitem zu ueberschreiten – keine Rede mehr von einer blossen Schuessel Reis am Tag :).
Auch auf die obligatorischen 3 Teeloeffel Zucker, welche den in einer Espressogrossen Tasse servierten Chai in ein suesses, braunes Wasser wandeln verzichtend, nehme ich sie jedoch auf wohlweissliches Antraten der Inder nach einem der regelmaessigen Hitzeanfaelle, die ihren Ursprung in meiner Unfaehigkeit die undefinierbar neuen Gemuesesorten von unscheinbaren gruenen Chilischoten - liebevoll zu EINEM Curry vermengt - zu unterscheiden, in doppelt und dreifacher Menge errettend in Anspruch und es ist keine Seltenheit mehr, dass mehrere Menschen gleichzeitig lachend mit einer Zuckerdose auf mich zugerannt kommen… Es sind besonders diese “einfachen Angestellten“ der Schule: die Koechin und ihre Tochter, die Putzmaenner, Fahrer und Nachtwaechter, welche mich stets warmherzig anlaecheln und grosse Freude daran gefunden haben keine Gelegenheit auszulassen, meine vereinzelten Bengali-Brocken Stueck um Stueck zu erweitern. Dadurch laesst sich mein Unbehagen ueber diese strikte aeussere Rollenverteilung viel, viel leichter ertragen, auch wenn es nach wie vor ungewohnt ist, mich an den gedeckten Tisch zu setzten und es als beleidigend empfunden wird, wenn ich meinen Teller selbststaendig abspuele.


In dem auch erst seit Kurzem hier arbeitenden Schuladministrator Mr. Thomas habe ich nicht nur eine der wenigen maennlichen Personen gefunden, die sich nicht als erstes nach der Existenz meines “boyfriends” erkundigte, sondern einen herzlichen, mir durch seine bedingungslos offene und ehrliche Art, die jegliche Grenzen indischer Diskretion ueberschreitet, schon jetzt sehr nahe stehenden Menschen gefunden, der mich mit ueberschwaenglicher Begeisterung in das Leben seines schillernden Kolkatas einfuehrt. Ganz eigentlich heisst er bloss Thomas, doch Respekt und Hoeflichkeit gebieten es, sich vor Kollegen und Schuelern nicht beim Vornamen zu nennen und so hallt nicht nur mir in allen Gaengen und Raeumen ein froehliches “Good Morning Mrs!” entgegen, sondern eben auch ihm, welches ich im Zuge meines so anspruchsvollen Sinnes fuer Humor auch ausserhalb der Schule beibehalte. Als mein selbsternannter neuer bester Freund liess er es sich nicht nehmen mich auf meiner ersten Suche nach einer Salvar Kameez zu begleiten, doch anstelle des indischen Gewandes, hielt ich als bald stolz meinen eigens erstandenen Helm in den Haenden und auf seinem Motorrad rauschten wir um des Momentes Willen durch das naechtliche Kolkata – uns durch die kein Ende nehmen wollenden Staus schlaengelnd, auf in das Zentrum der Stadt; vorbei am stolzen Victoria Memorial; beleuchteten Springbrunnenanlagen; den zahlreichen, kleinen gebrechlichen Imbissstaenden; den aus dem Nichts auftauchenden Baustellen und im schlammigen Wasser in Flip Flops watenden Arbeitern; der beeindruckend riesigen Hoogly Bridge und der Weite des Flusses; den Geraeuschen der Nacht entgegenfahrend…Auch die Eindruecke des heutigen Nachmittags wirken noch innbruenstig nach, hat mich der Ausflug auf dem fahrbaren Untersatz nach getaner Arbeit doch in den Norden der Stadt geweht, wo das Leben noch ein mal so viel hektischer, wuselnder und wuester braust, dass es mir unmoeglich erscheint, dass all dies wirklich eine Stadt sein soll...
Es ist schwer zu sagen, wer von uns beiden oefters jedes Mal aufs Neue Verwunderung ueber das Alter des jeweils anderen aeussert; er, der erstaunt feststellen muss, dass ich “erst 20” bin, oder ich, die nicht fassen kann, dass dieser kleine rundliche Mann, eher einer dem Erwachsenwerden trotzender grosser kleiner Junge, dem mit Schokolade und Keksen ein noch verschmitzteres Laecheln in das Gesicht zu malen ist, wahrlich schon fast 40 Jahre alt ist. Allein wenn er mich an seinem tagelichen Kampf um seine erst 8 Monate bestehende Ehe (damit ist er auch als Christ mit seiner Frau bei weitem laenger verheiratet, als er sie vorher kannte) teilhaben laesst, eroeffnet sich hinter seinen weichen Zuegen ein anderes, beschwerteres Leben.


So ist die gemeinsame Arbeit mit ihm und allen anderen Lehrern und Lehrerinnen nach einem gemeinsamen Seminar, welches uns dabei helfen sollte sensibler und eingehender mit unseren Mitmenschen umzugehen und unsere Kraft dahingehend zu erweitern uns dem “hoehren Allgemeinwohl“ zu widmen, in jedem Fall schon sehr vertraut. Da die Schueler in dieser und der kommenden Woche jedoch ihre abschliessenden Examen schreiben und sie anschliessend bis Mitte Oktober Ferien haben, gebe ich mich momentan meinem nie ganz ausgelebten Caro-Kindheitstraum-Traum hin und errichte in unserer und einer weiteren Zweigschule eine Bibliothek, etwas, dass schon seit vielen, vielen Jahren in die Tat umgesetzt werden sollte, doch stets mangelte es an Zeit oder einer geeigneten Person. Dabei ist wahrlich alles vorhanden: Buecher, die bisher, wenn ueberhaupt, nur spaerlich gelesen wurden und zur Verwahrlosung verdammt waren; einzelne wacklige metallene Regale; ein kleiner, 9 Quadratmeter messender Raum, in dem es ironischer Weise nach verbranntem Papier riecht; ja, sogar Bibliotheksausweise... Neben dem Eingeben aller Daten in den Computer und dem Fuellen der Regale mit den Wissen in sich buergenden Seiten, sind die von Neugierde getriebenen Besuche der Schueler, die sonst nur schwer zu ihrer Library Class zu bewegen waren nun, nach dem ueblichen, von Kichern begleiteten “How are you, Miss?“ an dem was ich tue und auf einmal auch den Buechern interessiert sind - Buecher, die Bildung, den Weg aus all dem, zu dem soziale Umstaende und ihre Herkunft sie verdammten, darstellen - die Momente, in denen auch die letzten Zweifel an der Bedeutung des Sortierens und Kategorisierens schwinden.
Mit dem Oktober rufen dann andere Ideen und Projekte, die in die Tat umgesetzt werden wollen, unter anderem die Gruendung eines Chors, in dem Mr. Thomas und ich mit den Kindern ausschliesslich englische Lieder singen wollen und es den Schuelern so ein viel Leichteres sein soll, sich der fremden Sprache zu naehern, sie auch zu verstehen und nicht in Form von den immergleichen Reimen herunterzubeten. Besonders freue ich mich darauf, die 4. Klaessler in Form von noch auszuarbeitenden Theaterstuecken ueber die Rechte der Kinder, ihre ganz eigenen Rechte, nicht nur zu unterrichten, sondern durch das Spiel greifbarer erleben und Teil von sich werden zu lassen. Damit habe ich mich nun endgueltig gegen die Rolle der Lehrerin entschieden und kann mir sehr viel eher vorstellen, so wie es sich in den wenigen Tagen von ganz allein entwickelt hat, eine Bruecke zwischen den Schuelern und den Lehrern sein, die in kleineren Gruppen bei Hausaufgaben, Lernschwierigkeiten oder anderen Problemen zur Seite steht, nich aber mit erhobenem Finger der Reihe nach aussortiert und vor die Tuer verbannt. Nein, fuer wahr, viel lieber moechte ich auf der anderen Seite stehen und den wagen Versuch einer Alternative darstellen, inwiefern dies auch immer moeglich sein mag...


Dienstag, 9. September 2008

Eingesogen

Als ich das erste Mal zu Papier und Stift griff, um dem Erlebten Raum zu schaffen, fuerchtete ich, dass mein Schreiben kein Ende nehmen wuerde…, doch zunehmend begreife ich, dass es vielmehr der Versuch des “Hinterherlebens” ist, welcher die satten Tage in heisse, schlaflose, keineswegs nur vom lauten Zirpen der Grillen oder dem Konzert der vom Monsun angelockten Froesche durchzogenen Naechte wandelt und sie zu einem undurchsichtigen Ganzen werden laesst.

Kaeme ich in die Verlegenheit eine einfache Frage nach meinem Befinden beantworten zu muessen, ich wuesste wahrlich nicht, was zu antworten… Es geht mir nicht gut, nein, wie koennte es auch… Beim Streifen durch enge Gassen, entlang derer verwahrloste, einfache Huetten und Zeltplanenkonstruktionen, dicht an dicht gedraengt, ganze Grossfamilien beherbergen und mich entgegen meinen ersten Eindruecken schlagartig verstehen lassen, weshalb Shourabh Mukherjee, der Gruender der Organisation, von der Gegend, in der die Familie Mukherjee und mich behausende, gleichzeitig den Sitz von YMWS darstellende Schule gelegen ist, als einer wohlhabenderen sprach. Wie haette ich auch wissen sollen, dass das Gesicht der Armut hier sehr vielfaeltig ist und sich in einzelne Nuancen verzweigt? Ich hatte ja keine Ahung…, keine Ahnung davon, wie es sich tatsaechlich anfuehlt, wenn ein Meer grosser brauner, des Lebens zum Teil mueder Augen auf der eigenen Erscheinung brennen, so dass ich mich meiner selbst schaeme; meiner Hautfarbe, der blonden Haare, meiner Herkunft und Bildung wegen, all dem, was mir durch blosse Willkuer ungerechter Weise vergoennt, ihnen hingegen niemals zugaenglich sein wird - ja, meinem ganzen Sein, Hiersein, welches diese Menschen und mich so schonungslos mit dem Anderen konfrontiert, dass es weh tut und erdrueckt und mich selbst der Faehigkeit befreiende, wenn auch ohnmaechtige und nichts, rein gar nichts aendernde Traenen zu weinen, beraubt. Doch dies waere wohl nicht das Indien in das es mich unbekannter Weise zog, wenn nicht am gleichen Tag eine Gruppe Kindergartenkinder nach anfaenglicher Schuechternheit auf mich zugerannt kaeme, um mir neugierig und augeregt, sich nach Aufmerksamkeit verzehrend, ihre Hefte entgegenzuhalten und ein jedes Mal in frohes Lachen auszubrechen, wenn ich auf ihr Fordern hin muehevoll die benaglische Bezeichnung der Bilder von Blumen und Tieren wiederholen wuerde. Es sind unter anderem diese Momente, die neue Kraft schoepfen lassen und die abendliche, von regelmaessigen Stromausfaellen bestimmte Stille mit neuen Funken des Gluecks erfuellen… Ueberhaupt habe ich mit Mr. Mukherjee, einem bald 60 Jahre zaehlenden Mann, dessen graugelocktes, wirr den Kopf umrahmendes Haar ihn so untypisch und doch wieder sehr indisch aussehen laesst, unfassbar grosses Glueck gehabt. Vor 40 Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht den aermsten der Armen durch Bildung und Aufklaerung Hoffnung auf ein besseres Leben zu ermoeglichen und mit der Hilfe von Mutter Teresa, zu der ihn eine innige, langjaehrige Freundschaft verbunden hat, Stueck um Stueck guenstig Land erworben, um erste Schulen zu errichten. Seine verbissene Arbeit, die sich jeglicher Zuschuesse von seelenlosem Geld (“cold money”) entzieht, auf eigenen Fuessen steht und neben der Schule, in der wir wohnen, neun weitere, ganz unterschiedliche Projekte eint, beeindruckt mich und zeigt nur zu deutlich, dass es durchaus moeglich ist, etwas aufzubauen, dass sich selbstversorgend nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe bietet.

Meine erste Woche galt der Erkundung und Einfuehrung aller einzelnen Projekte um dann anschliessend, mit ihm gemeinsam auszuarbeiten, wo ich mich am wohlsten fuehlen wuerde, aber auch, wo meine unterstuetzende Hilfe am ehesten gebraucht werde. Die Wege fuehrten mich in unzaehlige Klassenraeume, in denen 5-Jaehrige in Schuluniform gekleidete Jungen und Maedchen (nie zuvor haette ich geglaubt eine Uniformierung als so positiv und notwendig zu empfinden, denn sie laesst die Grenzen eines “arm, aermer, am aermsten” zumindest fuer wenige Stunden schwinden) erstaunt aufsprangen, um ihr Repertoire an bengalischen und englischen Reimen vorzufuehren, ja, vorzufuehren, oder zumindest empfand ich es als eben dieses und fuehtle mich in der Rolle der Besichtigenden alles andere als wohl. Die ersten Stunden habe ich ob der Abwesenheit einzelner Lehrerinnen auch schon vertreten duerfen und festgestellt, dass es fuer mich kein Leichtes werden wird, im Rahmen des auf blindes Auswendiglernen gerichteten Unterrichts einen angemessenen Platz zu finden.

So manches Mal kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, verspaetet von meinem PW-Buch eingesogen worden zu sein um am anderen Ende der Welt, in einer kleinen Huette eines mehrere Stunden von Kolkata entfernten Dorfes, wieder ausgespuckt zu werden. Dort nahm ich mit den 12 der 22 beteiligten Frauen an der Versammlung des seit Jahren funktionierenden Micro-Credit-Projektes Teil, welches ihnen ermoeglicht das gemeinsam ersparte Geld fuer Notfaelle durch eine vermittelnde Vertretung bei einer Bank anzulegen. Aber auch die abenteuerlichen Autorikshafahrten entlang der jungen, saftiggruenen Reisfelder und vereinzelten Palmen, hin zu den durch die YMWS ermoeglichten Wasser-pumpen, welche ganzen Dorfge-meinschaften von 700 Menschen endlich den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermoeglichen, versetzten mich in Staunen darueber, wie die Menschen fern fremder “westlicher” Hilfe in der unertraeglichen Mittagssonne unermuedlich um ein besseres Leben kaempfen.

Die vergangenen drei Tage verbrachte ich in dieser von Einfachheit gepraegten Abgeschiedenheit, die mich jedoch mit unerschoepflicher Liebe fuer die meinen Weg kreuzenden Menschen einnimmt…, so sehr, dass ich ueberzulaufen drohe und nich fassen kann, wie gebend und aufopfernd mich zum Beispiel der Koordinator der Dorfprojekte, wieder in Kolkata angelangt, nach gemeinsamer Reise zu sich einlaedt um mich dort in dessen Wohnung, einem einzigen Zimmer, in dem die ganze Familie schlaeft, isst, lebt und liebt, mit einem koestlichen Abendbrot zu ueberraschen.

Wie anders und unerkannt diese neue Welt sich mir auch allmaehlich eroeffnen mag, ist es doch auch gleichzeitig merkwuerdig vertraut. Wohl wahr, der seinen eigenen, halsbrecherischen Regeln folgende Strassenverkehr der Stadt ist zuweil erdrueckend, wenn auch nicht minder faszinierned und die von Muell gesaeumten Strassen und das in der Luft stehende, saemtliche Geruchsnerven abtoetende Gebraeu der Duefte dieser Stadt scheinen kein Ende nehmen zu wollen; ausgehungerte Hunde, Kuehe und Menschen sammeln sich vor den duerftigen Behausungen und die starrenden Blicke der Inder sind bestaendiger Teil eines jeden Ganges und dennoch fuehle ich mich hier schon nach wenigen Tagen mehr zu Hause, als ich es waehrend meines gesamten Jahres in den USA je vermochte.

Es ist und wird alles andere als einfach sein und ich bin mir dessen bewusst, dass die auf mich niederprasselnden Guesse mir auch in Zukunft oft den Atem rauben werden, doch die Aussicht darauf, in dem sprudelnden gewaltigen Gedraenge wieder an die Oberflaeche zu tauchen und erneut rettend nach Luft schnappen zu koennen, bilden das fordernde Leben, welches ich hier mit jedem neu anbrechenden Tag zu leben bereit bin.

Dienstag, 26. August 2008

im Aufbruch begriffen

Die Zeit schwindet dahin, ungefragt, ungeahnt und unerkannt… Was mich über ein Jahr der Vorbereitungszeit kostete, viel länger noch Gedankenwelten und meine Träume durchzog, ist nunmehr in greifbare Nähe gerückt und dennoch mit Nichten fassbarer geworden.

Hinter mir liegen nicht nur unzählige Behördengänge; mühselige Arztbesuche, welche mir stets einen folgenreichen Impfstoffcocktail bescherten; die stete Auseinandersetzung mit meiner eigenen Motivation, das Glaubenwollen und dennoch ängstlich verwerfen; der mich vollkommen einnehmende Auftrag des Spendensammelns; viele bereichernde und augenöffnende Gespräche, aber auch das 10-tägige Vorbereitungsseminar in Helmarshausen, welches wider meinen Befürchtungen intensiver und erfüllender nicht hätte sein können… Fernab von kopfzermalmenden organisatorisch-bürokratischen Einzelheiten, den immer noch zu treffenden Vorbereitungen und der wachsenden Ungewissheit, war die Zeit dort in einer abgelegenen, von bewaldeten Bergen umgebenen Jugendherberge die ruhende, aber auch verstörende Oase fern der einnehmenden Wirklichkeit.
Die Mischung aus Vorträgen und Diskussionen über den ausnehmenden und zerstörenden Coltanabbau im Kongo, Globalisierung, Kinderarbeit, Kulturellgeprägte Wahrnehmung; der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen bevorstehenden Arbeit; den Einblicken in die Anthroposophie und ein damit verbundener Besuch einer auf Waldorfpädagogik fußenden Einrichtung; das Kennen- und Schätzenlernen der weiteren über 50 Mitfreiwilligen aus ganz Deutschland; aber insbesondere die Arbeit in der jeweiligen Ländergruppe, füllte die Tage und ließ sie zu einem großen Ganzen zusammenschmelzen. Erlösend und mehr als willkommen waren die regenreiche Kanufahrt, eine besinnende, von Sternschnuppen durchzogene Nachtwanderung oder eine „Weltreise“-Ralley, die entgegen der zehrenden Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten, Befürchtungen und Erwartungen ausgleichend und befreiend wirkten.

Ich glaube nicht, dass ich mir selbst gerecht werden würde, wenn ich von den „großartigsten, aufeinanderfolgenden 10 Tagen meines Lebens“ sprechen würde und doch einte eine geballte Zeit selten so viel auf einmal: ich bin froh darüber, all das Teil von mir werden lassen zu haben, dass es mir möglich war mir meiner Stärken und Ängste erneut so bewusst zu werden und fühle mich nun merkwürdig befreit, einem leeren Blatt gleich, welches begierig darauf wartet von Neuem beschrieben zu werden…


Tausend Dank!

Ihr Lieben,

Habt vielen, vielen lieben Dank für Eure so großzügigen Spenden, welche es mir nicht nur ermöglichten einen beachtlichen Geldbetrag mit viel Mühe, Kraft und Selbstüberwindung zusammenzubekommen, sondern auch - und dies bedeutet mir um so vieles mehr - vor Augen führten, wie wunderbar jede/r Einzelne von Euch ist. Es tut gut, sehr, sehr gut und stärkt mich ungemein mit dem Wissen um Eure Unterstützung, die aufrichtigen Zusprüche, dem großen Interesse und Verständnis für mich und das mich Treibende auf, auf in die Ferne zu ziehen… Für all das und noch so viel mehr sei Euch von ganzem Herzen gedankt!

Eure Caro

Sonntag, 15. Juni 2008

Spendenaufruf

Liebe Freunde!

Nach Indien zu gehen, einem Land welches für mich symbolisch für die Vielfältigkeit an Farben, Menschen, Kulturen und Religionen die das Leben in sich birgt steht, ist schon seit vielen Jahren ein mich ständig begleitender Traum. Allerdings wollte ich nie als „einfache“ Touristin reisen, sondern mich dem Leben und den Menschen hingeben, ihnen zwei helfende Hände reichen um ihnen so mit einem offenen Geist zu begegnen und vielleicht Teil von ihnen und ihrer vollkommen unterschiedlichen Lebensweise werden zu können.

… und nun wird dieser ferne Traum einmal mehr näher rückende Wirklichkeit, denn beginnend mit dem 31. August diesen Jahres werde ich im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „Weltwärts“ (ein von der Deutschen Bundesregierung gefördertes Programm) und der „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“ (Waldorfpädagogik) als meiner begleitenden und unterstützenden Trägerorganisation für ein Jahr als Freiwillige nach Calcutta gehen.

Das Besondere an diesem Dienst ist für mich die Möglichkeit nachhaltige Hilfe leisten zu können; Hilfe, die gezielt ansetzt und darauf ausgerichtet ist die Umstände nicht nur für den Augenblick zu verbessern, sondern dazu beitragen wird, den betroffenen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Genau darin liegt zu oft der Grund, dass nach Ablauf von Hilfsprojekten, die ein westliches Konzept auf ein anderes Land fern dieser Kultur projizieren, die Lage sich in keiner Weise verändert hat. Vielmehr bedarf es Menschen, die bereit sind in die Welt zu ziehen und ein anderes Leben zu erleben, ein Leben das fern von Luxus und Überfluss geführt wird, in dem Hunger, Krankheit, mangelnde Bildung und Ungerechtigkeit den Alltag bestimmen, um wiederum ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen und gemeinsam daran zu arbeiten etwas zu verändern und allein die Menschlichkeit zu sehen.

An eben dieser Stelle bin ich auf Eure Mithilfe angewiesen und darum bemüht einen FörderInnenkreis bestehend aus Menschen aufzubauen die, ob nah oder fern, lang nicht mehr gesehen, verwandt oder bekannt auf ihre Weise Anteil an meinem Leben nehmen und daran interessiert sind, mich ein Stück des Weges zu begleiten. Leider ist eine rein ideelle Unterstützung nicht ausreichend, da das Sammeln von Spendengeldern ein fester Bestandteil der Bedingungen ist, die meine Trägerorganisation im Namen des BMZ an mich stellt um alle Kosten zu decken, welche weder die „Freunde“ noch meine zukünftige Dienststelle in Indien bereitstellen können. Dabei muss es sich keineswegs um große Summen handeln, denn jeder Euro zählt…

Um eine wage Ahnung von meiner Faszination für das Unbekannte einzufangen empfehle ich Euch „Das Gleichgewicht der Welt“, ein Roman von Rohinton Mistry, der mitfühlend menschliche Stärke in ihrer Zerbrechlichkeit erkundet. Es ist eine Odyssee, welche den ganzen indischen Subkontinent vor den Augen des Lesers/der Leserin entstehen lässt, eine Reise, die zugleich fasziniert, verstört und gefangen nimmt…

Solltet Ihr Fragen haben, würde ich mich mehr als nur freuen, diese zu beantworten. Schickt mir doch eine E-Mail an: Carolin.Suess@web.de!

Ich würde mich sehr über eine baldige Rückmeldung, in welcher Form auch immer, freuen und wünsche Euch bis dahin einen wundervollen Sommer!

Eure Caro

Sonntag, 1. Juni 2008

die Dienststelle

Bei der Young Men's Welfare Society handelt es sich um eine gemeinnützige, sozialpädagogische Einrichtung, die 1967 gegründet wurde. Die Einrichtung unterhält verschiedene Schulen, unter anderem 15 Slum-Schulprojekte und Waisenhäuser in freier Trägerschaft, welche in besonders schwierigen sozialen Situationen in Calcutta und umliegenden Dörfern gelegen sind. Im Rahmen dieser Schulen werden insgesamt etwa 3500 Kinder von 65 MitarbeiterInnen betreut.